Fast jeder von uns hat irgendeine Sucht oder Abhängigkeit. Sei es Koffein, Zucker, Tabak, Alkohol, Computerspiele, Sex oder was auch immer; viele Menschen habe Dinge in ihrem Leben, die sie zwanghaft und ohne wirklich bewusstes Überlegen tun. Sie werde dazu getrieben etwas zu tun, obwohl es ihnen oder den Menschen in ihrer Umgebung möglicherweise nicht gut tut.
Der Hauptfaktor dafür ist Unbewusstheit. Es kommt ein Verlangen auf, ein Trieb, ein Impuls, und ohne ihn genauer anzuschauen und abzuwägen, ob er nun wohltuend oder schädlich ist, wird er ausgelebt. Wir überlegen nicht, sondern handeln einfach so, wie es uns unsere Sucht diktiert. Es scheint unmöglich, sich dem zu widersetzen … Doch an diesem Punkt kommt die Wirksamkeit von Meditation ins Spiel.
Durch regelmäßiges Meditieren lernen wir, Dinge erst einmal zu beobachten, bevor wir etwas mit ihnen machen. Wir lernen, nicht aus der Gewohnheit heraus handeln zu müssen. Wir kommen vom unbewussten Reagieren zum bewussten Agieren. Dadurch entsteht mehr Freiheit in unserem Handeln, mehr Überlegung und vor allem mehr Bewusstheit. Das ist einer der Hauptgründe, warum Meditation im Umgang mit Süchten und Abhängigkeiten so hilfreich sein kann.
Sieben weitere, zum Teil wissenschaftlich belegte Gründe, warum Meditation beim Bekämpfen von Süchten hilft, haben wir hier für dich zusammengetragen.
1. Meditieren gibt uns ein natürliches »High«
Eine Studie aus dem Jahr 2002 aus dem „American Journal of Psychiatry“ hat sich mit der Frage beschäftigt, welchen Einfluss eine Drogensucht auf bestimmte Bereiche im Gehirn hat. Die untersuchenden Ärzte haben dabei herausgefunden, dass während einem High der präfrontale Kortex extrem aktiv ist. Nach dem Rausch jedoch, beim „Herunterkommen“, ist derselbe Bereich im Gehirn unglaublich inaktiv.
Wenn es nur eine Möglichkeit gebe, den präfrontalen Kortex zu aktivieren, auch ohne danach in ein Tief zu verfallen … hmmmm. Wie du dir vielleicht denken kannst gibt es die und ist sogar schon viele Jahre wissenschaftlich bewiesen.
Denn die drei Jahre später (2005) veröffentlichte Studie von der Neurowissenschaftlerin Dr. Sara Lazar hat bewiesen, dass meditierende Menschen eine deutlich höhere neuronale Dichte und insgesamt mehr Aktivität im präfrontalen Kortex haben als gewöhnlich.
Um das mal zusammenzufassen: Meditation stimuliert die Bereiche im Gehirn so, dass wir uns glücklich fühlen und auf ganz natürliche Weise ein „High“ erfahren können. Wir brauchen keine Drogen oder andere abhängig machende Substanzen, die uns zwar ein Hoch bescheren, danach jedoch gezwungenermaßen in die Tiefe werfen. Meditation gibt uns das Gute, das High, und nimmt uns das Schlechte, das Tief.
Mittlerweile wissen wir, dass Meditation sogar noch mehr tut, als unser Gehirn besser zu vernetzen und den präfrontalen Kortex zu aktivieren. Beim Meditieren können im Körper auch Endorphine ausgeschüttet werden, in teilweise noch größeren Mengen als bei Extremsportlern o.Ä.
So kann Meditation als „Ersatzdroge“ verwendet werden, um von Süchten loszuwerden, die das Gehirn besonders stark stimulieren. Denn Meditation kann dasselbe und noch viel mehr, nur ohne Nebeneffekte.
2. Durch Meditation haben Verlangen keine Macht mehr über uns
Jeder der mit Süchten zu kämpfen hat kennt die Momente von extremen Verlangen. Da ist plötzlich dieser Drang, gegen den man sich scheinbar nicht wehren kann, der dann unser Handeln bestimmt und einfach nur befriedigt werden möchte. Es ist so, als hätten diese Gedanken und Gefühle dann Macht über uns, anstatt wir über sie.
Meditation hilft dabei, diese destruktiven Impulse als solche zu erkennen und ihnen nicht nachzugeben. Der Schlüssel hierbei ist die objektive und distanzierte Beobachtung. Durch das Beobachten dieser zwanghaften Dränge drehen wir den Spieß wieder um, sodass wir wieder Macht über sie und sie keine Macht mehr über uns haben.
Dabei geht es nicht darum, diese Dränge zu unterdrücken. Das würde nicht helfen. Vielmehr noch würde es alles nur verschlimmern. Stattdessen lassen wir diese Gedanken – und mehr ist es nicht – einfach da sein und dann wieder ziehen. Dann geschieht Heilung; wenn wir sehen, dass diese Dränge genauso schnell gehen können, wie sie kommen. Wir müssen sie nicht befriedigen, damit sie wieder gehen. Sie gehen von selbst, wenn sie nicht befriedigt werden.
Ein meditierender Mensch kann dieses ganze Schauspiel einfach neutral beobachten und sich diesem entziehen. So gelangt er die Macht über seinen Geist zurück und kann den Süchten Einhalt gebieten.
„Der Geist ist ein guter Diener, aber ein schlechter Meister.“
3. Meditation ist ein natürlicher Dopamin-Ersatz
Hast du schon mal von Dopamin gehört? Dopamin ist ein Neurotransmitter, der eine stark euphorische Wirkung hat und bei „belohnenden Aktivitäten“ ausgeschüttet wird. So auch bei Süchten. Wenn Drogenabhängige ihre Sucht befriedigen, werden sofort große Mengen an Dopamin im Gehirn ausgeschüttet und der Betroffene hat sofort ein Gefühl von „ahhh, endlich wieder …“. Vielleicht kennst du dieses besänftigende Gefühl auch von anderen, scheinbar milderen Dingen: einem Stück Schokolade, dem Kaffee am Morgen oder dem Feierabendbier am Abend. Genau dieses Gefühl wird von Dopamin ausgelöst.
Das Problem: durch diese Höhenflüge sinkt das Dopaminlevel zu anderen Zeiten und das Gehirn will dann, durch noch belohnendere Aktivitäten, wieder auf das alte Level zurück. Doch so landet man in einer Abwärtsspirale, die durch das Auslösen des Dopamin-Kicks immer steiler und steiler wird. Es ist ein Teufelskreis.
Die Forscher einer Studie aus dem Jahr 2004 haben sich genau mit diesem Thema beschäftigt und sind zu dem Schluss gekommen, dass es extrem wichtig ist, natürliche und gesunde Wege zu finden, um Dopamin auszuschütten. Nur so könne man effektiv gegen Süchte und Abhängigkeiten vorgehen.
Wie du dir sicher denken kannst macht Meditation genau das.
In einer 2002 veröffentlichten Studie des John F. Kennedy Instituts in Berlin wurde das Dopamin-Level von Meditierenden unterersucht und die Ergebnisse waren erstaunlich: Während der Meditation war das Dopamin-Level der Teilnehmer um bis zu 65% stärker als sonst. 65%! Das ist gigantisch.
Was auch interessant ist: Das Dopamin-Level von den Teilnehmern blieb auch nach der Meditation noch in einem optimalen Bereich. Es gibt also nicht diesen „Rebound-Effekt“, der bei Drogen und anderen abhängigmachenden Substanzen (z.B. Zucker) und Tätigkeiten (z.B. Sex) so verheerend ist.
4. Meditation entzieht den Süchten ihren Grund
Manchmal kann das Leben eine Herausforderung sein. Nichts klappt, wie wir es uns wünschen, und das mit dem „einfach akzeptieren“ ist auch nicht so leicht. Was dann oft folgt ist ein emotionales Tief gezeichnet durch Angst, Wut, Trauer und so weiter. Und wenn wir dann nicht wissen, wie wir damit umgehen sollen – und die meisten von uns wissen es nicht –, greifen wir zu einfachen Lösungen, um uns kurzzeitig wieder gut zu fühlen. Genau dann haben es Süchte und Abhängigkeiten am einfachsten, sich in unser Leben zu schleichen.
Wenn wir jedoch regelmäßig meditieren, können wir viel besser mit solchen schwierigen Phasen im Leben umgehen und sowohl präventiv als auch akut gegen schlechte Gewohnheiten vorgehen. In der Meditation lernen wir, nicht aus dem Flucht- oder Kampfmechanismus heraus zu handeln, sondern ruhig zu bleiben, bei den Fakten zu bleiben – bei dem, was wirklich ist, und nicht bei dem, was wir uns vorstellen. Wir lernen, immun gegen Stress zu werden. Und wenn der Stress keinen Platz in uns findet, dann können auch keine Süchte aus ihm gedeihen. Denn Stress und „negative“ Emotionen, die wir probieren zu unterdrücken, sind der #1-Grund für Süchte und schädliche Gewohnheiten.
5. Durch Meditation kommt das Gehirn auf die richtige Wellenlänge
Wir haben uns nun schon verschiedene Fakten dazu angeschaut, welchen Einfluss Meditation auf das Gehirn hat. Zum Einen aktiviert sie den präfrontralen Kortex und erhöht die neuronale Dichte in diesem Bereich. Zum Anderen sorgt sie für eine natürliche Ausschüttung von Dopamin und den damit verbundenen Glücksgefühlen. Doch das ist noch nicht alles.
Unzählige Studien haben den Zustand der Meditation im EEG untersucht und herausgefunden, dass sich Meditierende meistens im Alpha- oder Thetazustand befinden. Das sind die Frequenzen, die sich vor allem durch tiefe Entspannung auszeichnen – Theta bedeutet hier eine noch etwas tiefere Entspannung als Alpha. Im Alltag befindet sich das Gehirn normalerweise im Beta-Zustand.
Jetzt wird es richtig interessant: In einer 2005 veröffentlichten Studie wurden 121 Menschen untersucht, die an einem Drogenmissbrauchsprogramm teilnahmen. Während der Studienzeit wurden die Teilnehmer in Biofeedback-Training geschult, was ganz einfach gesagt dabei hilft, den Geist in höhere Bewusstseinszustände zu versetzen. Kurz: Die Teilnehmer wurden regelmäßig in Alpha- und Theta-Zustände versetzt.
Das Ergebnis? Nach 12 Monaten waren 77% dieser Testgruppe komplett frei von ihren Süchten.
Meditation macht mit unserem Gehirn genau dasselbe, wie das Biofeedback-Training mit den Teilnehmer der Studie. Wir werden entspannter und friedvoller und können so angemessener auf Situationen reagieren – Situationen, die uns vor eine Wahl stellen: Mach ich es oder lass ich es?
6. Meditation kann effektiver als herkömmliche Drogentherapie sein
Eine letzte Studie wollen wir uns noch anschauen und zwar von der University of Washington aus dem Jahr 2006. In dieser Studie haben die Forscher 78 drogensüchtige Gefängnisinsassen untersucht. Den Insassen wurde innerhalb von 10 Tagen klassische Vipassana-Meditation beigebracht, die sie dann für 90 weitere Tage praktizierten. Nach diesen 3 Monaten füllten sie denselben Fragebogen zu ihrem Drogenkonsum aus wie am ersten Tag.
Das Ergebnis: 87% der Teilnehmer tranken nach den 3 Monaten weniger Alkohol und 87% rauchten weniger Marihuana. Außerdem hat sich herausgestellt, dass bei der Untersuchungsgruppe Meditation fast sechsmal effektiver war als die herkömmliche Drogentherapie. Unglaublich!
7. Meditation behebt die Ursache unserer Süchte
Die am besten funktionierenden Therapieansätze sind jene, die sich mit den eigentlichen Ursachen unserer Probleme beschäftigten und nicht nur die Symptome bekämpfen. Und was ist der eigentliche Grund für unsere Süchte und schädlichen Gewohnheiten? Unzufriedenheit. Erst wenn wir unzufrieden mit uns selbst und dem Leben sind greifen wir zu Dingen, die uns scheinbar ziemlich einfach Glück bescheren können. Und das tun sie auch; für einen kurzen Moment nehmen – oder unterdrücken – sie all unsere Sorgen und lassen uns glücklich sein. Doch was ist der Preis dafür?
Der Preis ist die vorhin beschriebene Abwärtsspirale, der Teufelskreis, aus dem es schwer sein kann, wieder herauszukommen. Während der eigentlichen Entscheidung sind wir uns dieser Abwärtsspirale und den langfristigen Folgen nicht bewusst und handeln daher aus einem sehr eingeschränkten Bewusstsein heraus. Und da sind wir auch bei der eigentlichen Ursache unserer Probleme: nicht Unzufriedenheit – diese ist auch nur eine Begleiterscheinung –, sondern Unbewusstheit.
Wenn wir unbewusst sind und schlafwandelnd durchs Leben gehen, dann können wir nicht wirklich glücklich sein. Wir werden immer Opfer der Umstände sein, getrieben von äußeren Situationen oder inneren Verlangen. So sind wir nicht die Meister, die wir sein sollten, sondern Sklaven.
Meditation ändert das. Durchs Meditieren erhöhen wir unser Bewusstseinslevel, damit die Kontrolle und somit das Glück. Und je mehr Glück und Zufriedenheit in uns vorherrscht, desto weniger kann zwanghaftes Verhalten, Sucht oder Abhängigkeit in uns bestehen. Es ist eine einfache Rechnung – und sie geht genau auf.
Sehr interessantes Thema und sehr schön und übersichtlich geschrieben.
Dankeschön !