Warum Meditation anstrengend sein kann (und sein darf)

In der Stille der Meditation werden wir manchmal mit Dingen konfrontiert, die wir sonst weitestgehend vermeiden können – oder es zumindest probieren. Wenn wir im Alltag Schmerzen empfinden, tun wir alles mögliche dafür, diese Schmerzen zu mildern. Sind wir in einer unangenehmen Situation, probieren wir diese schnellstmöglich zu verlassen.

In der Meditation geht das nicht. Wir sitzen da und müssen mit dem umgehen, was gerade auftritt. Weglaufen ist keine Option.

Auch Anstrengung ist eine Empfindung, der wir gleichmütig entgegentreten können. Tatsächlich bietet sie die perfekte Gelegenheit dazu, Geduld und Ruhe zu entwickeln, auch wenn gerade nicht alles so läuft, wie wir es gerne hätten.

In diesem Artikel möchte ich auf die verschiedenen Arten von Anstrengung eingehen und erklären, warum sie da sind, warum es gut ist, dass sie da sind, und wie wir mit ihnen umgehen können.

Anstrengung heißt Wachstum

Bevor ich auf die verschiedenen Arten von Anstrengung eingehe, möchte ich kurz über Anstrengung allgemein reden. Was ist Anstrengung eigentlich und warum tritt sie auf?

Auch wenn uns Anstrengung oft wie eine Hürde vorkommt und wir sie lieber vermeiden würden, ist Anstrengung tatsächlich eine sehr wertvolle Empfindung. Warum? Weil Anstrengung auftritt, wenn wir über die Grenzen unserer (oft sehr kleinen) Komfortzone hinausgehen. Wir erweitern unseren Horizont und letztlich die Erfahrungen unseres Lebens, wenn wir uns anstrengen.

Wer Muskeln aufbauen möchte weiß: Ohne Anstrengung geht nichts. Muskeln wachsen, wenn wir sie mehr beanspruchen, als wir es sonst tun. Das »schädigt« die Muskeln auf eine sanfte Art und Weise, doch während des Regenerationsprozesses danach wachsen sie zu neuer Größe heran.

Nun lässt sich Meditation in vielerlei Hinsicht mit Muskeltraining vergleichen. Beim Sport trainieren wir unseren Körper, bei der Meditation unseren Geist. Es sind beides Disziplinen, die einen gewisse Bereitschaft uns anzustrengen erfordern. Oder anders gesagt: Wir müssen bereit sein, das für uns Gewohnte zu verlassen. Verändern können wir uns nicht, wenn alles gleich bleiben soll.

Wenn wir Anstrengung empfinden, ist das ein Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir tun etwas, was wir vorher so noch nicht getan haben und wachsen danach. Wir betreten neue Gefilde und wachsen daran. Das ist wichtig – sowohl für den Sport als auch für unsere Meditationspraxis.

1. Körperliche Anstrengung

Um beim Meditieren konzentriert und aufmerksam zu bleiben, ist eine aufrechte Körperhaltung am besten; und zwar so, dass die Wirbelsäule allein den Körper trägt, ohne Anlehnen also. Allein das kann für viele Menschen unserer westlichen Kultur schon problematisch sein. Wir sind so unsere weichen Sofas und bequemen Bürostühle gewöhnt, dass unsere Rücken leider sehr schwach und oft sogar geschädigt sind.

Nehmen wir dann noch das Sitzen auf dem Boden hinzu, das eine gewisse Flexibilität in Hüften, Knien und Fußgelenken erfordert, wird es für viele Menschen sehr schwierig. Probieren wir uns, ohne die nötige Vorbereitung so in eine bestimmte Meditationshaltung zu zwängen, wird die Meditation eher zur Askese und wir verfehlen das Ziel.

Grundsätzlich sollten wir beim Meditieren schon entspannen können. Nicht so sehr, dass wir einschlafen und unsere Meditation vergessen. Aber immerhin so viel, dass wir uns wohlfühlen und lockerlassen können.

Die passende Meditationshaltung finden

Dafür ist es hilfreich, eine geeignete Meditationshaltung zu finden. Jeder von uns hat einen Körper mit seinen eigenen Besonderheiten und Proportionen. Es ist daher nicht möglich, eine allgemeine Antwort auf die Frage zu finden, was die beste Meditationshaltung ist. Meistens entwickelt sich diese im Laufe der eigenen Praxis.

Es gibt jedoch einen Sitz, der für die meisten Menschen relativ angenehm ist und der die Bedingungen für eine gute Meditationshaltung erfüllt: Der Knie- bzw. Fersensitz.

Wie es der Name schon sagt, sitzen wir beim Fersensitz kniend auf unseren Fersen. Das klingt jetzt vielleicht erstmal nicht so bequem, aber mit einem hohen Kissen oder einer Meditationsbank – und ein bisschen Eingewöhnung – kann man so wirklich angenehm aufrecht sitzen.

Der Fersensitz funktioniert so gut, weil durch die Erhöhung das Becken automatisch nach vorne kippen kann und so ein festes Fundament für die Wirbelsäule bietet. Ist das Becken nach vorne gekippt, kann die Wirbelsäule festen Halt darin finden. So können wir ohne besondere Anstrengung aufrecht sitzen.

Auch andere Sitzpositionen sind natürlich möglich. Hier gilt dasselbe: Du musst dein Becken nach vorne Kippen können, um die Wirbelsäule in ihm zu verankern. Mit der Hilfe eines Kissens kann so auch im burmesischen Sitz oder im klassischen Schneidersitz meditiert werden. Aber Achtung: Die Knie sollten unterhalb des Beckens sein und bestenfalls fest auf dem Boden geerdet sein.

Wenn du auf einem Stuhl sitzend meditieren möchtest ist es genauso: Sorge dafür, dass die Knie unterhalb des Beckens sind und kippe dann das Becken etwas nach vorne, sodass die Wirbelsäule mühelos aufrecht stehen kann.

Das erreichst du am besten auf einem Hocker oder schmalen Stuhl, indem du das Becken öffnest, die Beine rechts und links am Stuhl vorbei gibst und unter dir, vielleicht nur mit den Zehenspitzen, aufstellst. Wenn du schon mal auf einem Gymnastikball sahst, kannst du dich daran orientieren.

2. Geistige Anstrengung

Geistige Anstrengung ist die zweite Art der Anstrengung, die wir beim Meditieren empfinden können. Im Gegensatz zur physischen Anstrengung kann sich geistige Anstrengung in vielen verschiedenen Empfindungen bemerkbar machen. Auch kann sie sehr subtil auftreten und uns auf eine tückische Art und Weise vom Meditieren abhalten.

Am Anfang tritt geistige Anstrengung oft in Form von innerer Unruhe, Verwirrung, Ablenkung, und scheinbarer Konzentrationsschwäche auf. Wir probieren ganz bei unserem Meditationsobjekt zu sein, doch werden immer wieder von anderen Gedanken und Eindrücken abgelenkt. Das ständige Wieder-Zurück-Kommen zum Meditationsobjekt kann so durchaus als Anstrengung empfunden werden – und das ist es auch.

Die Erkenntnis „Ich bin gerade abgeschweift“ und das damit einhergehende Zurückkommen zum Meditationsobjekt, ist sozusagen der Bizepscurl der Meditation. Genau durch dieses Bemerken und erneute Konzentrieren stärken wir unseren Geist. Nach und nach wird es uns immer leichter fallen, Ablenkungen früh als solche zu erkennen und zu unserem Meditationsobjekt zurück zu finden.

Der Geist ist wie ein Muskel

Tatsächlich funktioniert unser Geist sehr ähnlich wie ein Muskel und lässt sich auch wie ein solcher trainieren. Immer wenn wir etwas tun, greift unser Geist auf sein Repertoire an Erinnerungen zurück. Zähneputzen funktioniert wie von allein, da wir es schon Tausende Male gemacht haben.

Bauen wir jedoch das erste Mal ein Zelt auf oder probieren eine komplexe mathematische Aufgabe zu lösen, dann brauchen wir unsere ganze Konzentration bei dem, was wir tun. Nachdem wir es dann ein paar mal getan haben, ist es auch kein Problem mehr – unser Geist kennt es schon und kann auf die Erinnerung zurückgreifen.

Nun bauen wir beim Meditieren keine Zelte auf und lösen auch keine mathematische Aufgaben. Dennoch hat unser Geist in der Meditation eine Aufgabe, die er sich durch regelmäßiges Wiederholen einprägen kann: Das bewusste Wahrnehmen des Meditationsobjektes (und das Zurückholen der Aufmerksamkeit, sobald wir abschweifen).

Tun wir dies immer wieder, gewöhnt sich unser Geist daran und wird sich nach und nach von selbst, mühelos an diese Aufgabe erinnern. Anfangs kann das als geistige Anstrengung empfunden werden, doch mit der Zeit wird es immer leichter fallen.

3. Emotionale Anstrengung

Die dritte Art ist die emotionale Anstrengung. Emotionale Anstrengung tritt dann auf, wenn wir in der Meditation mit Themen konfrontiert werden, die wir noch nicht vollständig verarbeitet haben. Vielleicht haben wir tiefe Sehnsüchte, Wünsche und Ziele, denen wir in unserem Alltag keinen Platz geben. Vielleicht unterdrücken wir auch eine vergangene Erfahrung, die uns Schmerz bereitet hat.

In der Meditation öffnen wir uns. Alles, was sich über die Jahre angestaut hat, wird beim Meditieren an die Oberfläche kommen. Das können konkrete Erinnerungen sein, aber auch angesammelte Emotionen, die wir aus familiären, sozialen oder kulturellen Gründen vielleicht noch nie wirklich ausgedrückt haben.

So kann während oder nach der Meditation eine plötzliche Traurigkeit auftreten, eine tiefe Unzufriedenheit. Aber auch unbeschreibliche Freude und wunderschöne Glücksgefühle können wie aus dem Nichts kommen.

Je nach Erfahrung können diese emotionalen Offenbarungen anstrengend sein. Wichtig hier ist, dass wir sie nicht unterdrücken, uns aber auch nicht nach ihnen sehnen, wenn sie vergehen. Sie uns einfach nur anzuschauen und dann ziehen zu lassen ist der beste Weg zu innerem Frieden.

Entdecke die Empfindung der Anstrengung neu

Beim Meditieren sind wir nicht auf der Suche nach Komfort und angenehmen Empfindungen. Genau genommen sind wir auch der Suche nach nichts. Wir wollen alles so annehmen können, wie es kommt, ohne es zu verurteilen oder verändern zu wollen.

Es wird immer wieder vorkommen, dass »unangenehme« Empfindungen beim Sitzen auftreten. Das ist okay. Jedoch müssen wir nicht gleich jedem Impuls folgen, der uns vor die Füße geworfen wird.

Vielleicht ist dort ein Jucken, ein Gefühl der Kälte, der Hitze oder ein Schmerz. Vielleicht ist dort eine innere Unruhe, ein emotionaler Schmerz oder einfach Unwohlsein. Bevor wir darauf reagieren, können wir kurz innehalten und die Empfindung genau untersuchen.

Wie fühlt sich die Empfindung wirklich an? Probiere sie so objektiv und sachlich wie möglich wahrzunehmen. So, als würdest du sie das erste Mal empfinden.

Oft ist es so, dass wir Dinge entsprechend unserer früheren Erfahrungen einordnen. „Ah, okay, das fühlt sich so und so an, das habe ich schon mal als anstrengend erfahren, also ist es negativ.“ Diesen Bewertungsprozess zu beobachten und beiseite zu werfen hilft dabei, Empfindungen so wahrzunehmen, wie sie wirklich sind.

Und wie sind sie wirklich? So, wie sie eben sind. Weder gut noch schlecht. Weder angenehm noch unangenehm. Sie sind einfach da. Erst unsere Beurteilung, unser Denken macht sie dann zu etwas Freudvollem oder Schmerzhaften.

Bis wir das so erfahren können, ist Anstrengung jedoch erst mal anstrengend und natürlich unangenehm für uns. Wir wollen sie möglichst loswerden. Und das ist auch in Ordnung so. Wir sollten uns nicht unnötigen Schmerzen aussetzen, die wir nicht ertragen können.

Dennoch ist es wichtig, dass wir nach und nach von unseren voreingenommen Bewertungen loslassen. Das schaffen wir, indem wir uns immer wieder mal überwinden und uns das Unangenehme genauer anschauen. Was ist es eigentlich, dass das Unangenehme unangenehm und das Angenehme angenehm macht?

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