Traurig nach der Meditation? Das ist der Grund

In der Meditation können unerwartete Dinge passieren. Wir können die wunderbarsten Zustände erleben, aber auch mit Schwierigkeiten konfrontiert werden. Diese Höhen und Tiefen sind Teil unserer Praxis und sehr wichtig. Warum fragst du dich?

Weil alles gesehen werden will. Im Alltag neigen wir oft dazu, das Schöne voll auszukosten und das Unschöne möglichst tief in einer Schublade zu vergraben. Wir öffnen unsere Aufmerksamkeit für bestimmte Dinge und verschließen sie für andere.

In der Meditation geht das nicht. In der Meditation zeigt sich alles – auch und vor allem das, was wir mit so viel Mühe in der hintersten Ecke unseres Geistes versteckt haben. Während oder nach der Meditation Traurigkeit zu erfahren ist daher keine schlechtes Zeichen – ganz im Gegenteil!

Wenn du nach der Meditation scheinbar grundlos traurig bist, dann erfüllt die Meditation genau ihren Zweck. Das, vor dem du lange Zeit deine Augen verschlossen hast, kann nun gesehen werden. Das ist gut so.

Angesammelte Gedanken und Emotionen kommen an die Oberfläche

Wir alle haben irgendwann in unserem Leben mal Gefühle erlebt, die wir zu dem Zeitpunkt nicht voll verarbeiten konnten. Vielleicht war es Trauer, Freude, Angst oder Liebe – das ganze Spektrum an Emotionen kann in uns schlummern. Seitdem tragen wir sie mit uns herum, ohne zu wissen, dass sie da sind. Aber sie sind da und wollen noch vollständig erlebt werden, bevor sie sich endgültig verabschieden können.

Genau dafür ist die Meditation da. Wir wollen, dass sich diese Emotionen zeigen und wir sie endlich loslassen können. Auch wenn es kurzfristig unangenehm sein kann, wird es uns auf Dauer so viel Last von den Schultern nehmen. Geben wir den angesammelten Gedanken und Emotionen Raum, sich ein letztes Mal zu zeigen, können wir sie letztlich verarbeiten und mit deutlich weniger Gepäck weitergehen.

Deine Wahrnehmung wird feiner

Wenn du nach der Meditation traurig bist, liegt es zum einen daran, dass in der Stille die vergrabenen Emotionen ans Tageslicht kommen. Zum anderen kann es aber auch daran liegen, dass deine Wahrnehmung feiner geworden ist. Vielleicht warst du vorher schon traurig, irgendwie unzufrieden mit der aktuellen Situation, aber konntest diese Unzufriedenheit erst durch die Meditation klarer sehen.

Durch regelmäßiges Meditieren wird unser Geist konzentrierter und kann subtilere Gedanken und Emotionen wahrnehmen. Was uns vorher nur wie eine kleine Unzufriedenheit erschien, zeigt sich nach der Meditation vielleicht als ein gigantisches Problem. Das Gute ist: Durch das Meditieren bekommen wir die Klarheit, diese Problem zu lösen.

Meditation ist wie Fensterputzen

Wir können unseren Geist mit einer Glasscheibe vergleichen. Wenn wir Zuhause unsere Fenster für längere Zeit nicht putzen, sammeln sich auf ihnen eine unglaubliche Menge an Staub an. Vielleicht bemerken wir es gar nicht, entweder weil wir uns an die weniger klare Sicht gewöhnen oder weil wir dem ganzen einfach nicht genug Beachtung schenken. Es wird schlimmer und schlimmer.

Und wann spätestens bemerken wir, wie dreckig die Fenster wirklich sind? Richtig, sobald wir sie putzen. Erst wenn wir sehen, wie sich der Staub förmlich in den Fensterrahmen ein Zuhause eingerichtet hat und das Putzwasser dem bewölkten Nachthimmel ähnelt werden wir uns der dreckigen Fenster wirklich bewusst.

Meditation ist der Lappen, mit dem wir unser inneres Fenster putzen. Vielleicht war uns davor gar nicht bewusst, wie viel Staub sich angesammelt hat, aber sobald wir anfangen zu meditieren, zeigt er sich. Er zeigt sich und wird gleichzeitig bereinigt.

Laufe nicht weg – lasse es zu

Wenn sich Emotionen wie Traurigkeit nach der Meditation zeigen dann heißt das nicht, dass die Meditation schlecht ist und du aufhören solltest. Das Gegenteil ist der Fall. Dass sich die Traurigkeit endlich getraut zu zeigen ist ein wunderbares Zeichen – und du solltest ihr es gestatten. Sie will dir nichts Böses.

Die Traurigkeit zuzulassen und sie zu erleben ist ein heilsamer Prozess. Sicher ist es erst mal ungewohnt und du würdest dich lieber ablenken, vor ihr verschließen. Gibst du ihr jedoch eine Chance, wirst du sehen, dass sie dir freundlich gesinnt ist. Vielleicht zeigt sich, dass die Traurigkeit gar nicht das ist, wofür du sie anfangs gehalten hast.

Lerne die Traurigkeit kennen

Warum ist die Traurigkeit da? Wodurch ist sie entstanden?

Wenn du nach der Meditation Traurigkeit verspürst, dann renne nicht gleich deiner nächsten Tätigkeit nach. Bleibe noch etwas sitzen und lerne die Traurigkeit kennen. Lasse sie sich entfalten.

Finde heraus, wo du die Traurigkeit in deinem Körper spürst. Fühlst du sie im Herzen, im Bauch, vielleicht im ganzen Körper? Gehe mit deiner Aufmerksamkeit in diesen Bereich und erkunde das Gefühl. Wie fühlt sie sich an? Ist es ein Druck, eine Schwere oder eine ganz andere Empfindung? Probiere sie sachlich zu beobachten; „Okay, so und so fühlt sich diese Traurigkeit an.“

Vielleicht kannst du durch das Gefühl die Traurigkeit zu ihrem Ursprung zurückverfolgen. Vielleicht tauchen Gedanken oder Bilder in deinem Geist auf, die mit der Traurigkeit in Zusammenhang stehen. Beobachte diese nur, ohne sie an dich heranzubinden oder sie von dir wegzuschieben.

Wenn du weinen musst, dann weine. Unterdrücke nichts. Jede Reaktion ist in Ordnung und darf zugelassen werden. So wirst du Frieden mit der Traurigkeit schließen können.

Zurück zum Meditationsobjekt

Wenn wir nach der Meditation Traurigkeit empfinden ist es häufig so, dass sie uns grundlos erscheint. Vielleicht haben wir anfangs keine bestimmte Erinnerung dazu und es scheint so, als würde die Traurigkeit allein erscheinen. Manchmal ist es tatsächlich so: Die Traurigkeit als Grundgefühl möchte sich einfach ausdrücken, ohne eine bestimmte Erfahrung verarbeiten zu müssen.

Oft ist es aber so, dass sie zusammen mit einem bestimmten Gedanken auftaucht – ein Gedanke an die Vergangenheit oder an die Zukunft. Vielleicht sind wir nicht zufrieden damit, wie Dinge in der Vergangenheit gelaufen sind und würden diese gerne ändern. Vielleicht sind wir auch unzufrieden mit unseren Aussichten und haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll.

All diese Gedanken können uns traurig machen und in der Meditation verstärkt werden. Wir sollten diese Gedanken nicht verurteilen und loswerden wollen, aber auch nicht so stark auf sie konzentrieren, dass wir alles andere vergessen.

Immer wieder zum Objekt unserer Meditation zurückzukommen ist daher sehr wichtig. Wenn wir uns in einer Gedankenspirale verlieren, können Emotionen wie Traurigkeit verstärkt werden. Registrieren wir diese Emotionen jedoch nur und widmen uns dann wieder unserem Atem, Mantra oder ähnlichem, dann binden wir die Emotion nicht an uns und sie kann weiterziehen.

Meditiere mit dem Herzen

Der letzte Tipp den ich dir geben möchte ist, mit dem Herzen zu meditieren. Dies ist vor allem hilfreich, wenn die Traurigkeit immer wieder auftaucht und du Schwierigkeiten damit hast, sie loszulassen oder ihren Ursprung zu ermitteln.

Setze dich dafür wie gewohnt in deine Sitzposition und schließe deine Augen. Beginne mit ein paar tiefen Atemzügen und werde dir des Inneren deines Körpers bewusst. Wie fühlt sich das innere deines Kopfes, deiner Brust und deines Bauches an? Wie verändert der Atem die Empfindung, wenn er an den Körperregionen vorbei strömt?

Gehe dann mit deiner Aufmerksamkeit in die Mitte deiner Brust – etwa dort, wo sich dein Herz befindet. Es reicht, wenn du diesen Bereich fühlst und mit deiner Aufmerksamkeit erkundest. Wie fühlt es sich an? Was spürst du? Es kann sehr subtil sein, aber irgendetwas lässt sich immer finden.

Du kannst dir auch eine große Lichtquelle in diesem Bereich vorstellen, die sich im Rhythmus deines Atems ausdehnt und wieder zusammenzieht. Bleibe dann einige Minuten dabei und schaue, was passiert.

In der Brust fühlen sich unsere Emotionen Zuhause. Indem wir unsere Aufmerksamkeit auf diesen Bereich lenken, geben wir unterdrückten Emotionen die Möglichkeit, sich zu zeigen. Auch hier kann es sein, dass du weinen musst oder dich eine emotionale Welle überkommt. Das ist normal – verurteile es nicht. Wenn es zu unangenehm wird, probiere die Meditation ruhig zu beenden. Öffne langsam die Augen und gib dir dann noch etwas Zeit, bevor du wieder in den Alltag startest.

Nach der Meditation traurig zu sein ist in Ordnung

Nach der Meditation traurig zu sein ist nicht unnormal und auch überhaupt nicht schlimm. In der Regel ist es ein gutes Zeichen, wenn sich dir unerwartete Emotionen zeigen. Es heißt, dass diese immer da waren, aber von lauter anderen Gedanken und Eindrücke vergraben wurden. In der Meditation haben sie nun endlich die Möglichkeit, ans Tageslicht zu kommen.

An diesem Punkt solltest du nicht aufhören zu meditieren. Die Meditation wirkt und wird dir so sehr viele Türen öffnen, die du vorher nicht für denkbar halten konntest. Praktiziere daher weiter und lasse alles zu, was sich zeigen möchte.

1 Gedanke zu „Traurig nach der Meditation? Das ist der Grund“

  1. Hi, das was du beschreibst hatte ich heute mit Angst gespürt. Da ich aktuell an einer Angststörung leide habe ich das meditieren begonnen, neben einer Therapie. Kann also die Meditation auch die Angst hervorholen? Ich habe in den Brustbereich gespürt, da wo die Beklemmung und Anspannung sitzt. Es wurde sehr komisch und ich musste teilweise abbrechen, es baute sich eine Panik auf. Letztendlich soll man aber die Emotionen zu lassen und sie kommen und gehen lassen, nicht mehr dagegen kämpfen. Dies würde bedeuten der Weg ist richtig und ich muss es nur zulassen und nicht unterdrücken. Wie siehst du das? Bin etwas verunsichert. Möchte jedoch gern weiter meditieren da ich mich teilweise auch schon emotional dabei geöffnet habe und weinen musste. Dies hat sehr gut getan und war befreiend.

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