Viele Meditationsanfänger stellen sich die Frage, warum sie sich für die Meditation hinsetzen sollen – und dann auch noch möglichst aufrecht und unbequem auf dem Boden. Geht es nicht genauso gut im Liegen oder bequem in einem Sessel?
Das aufrechte Sitzen während der Meditation hat einen guten Grund. Es hilft uns dabei, wach und aufmerksam zu bleiben und nicht in den Schlaf abzudriften. Außerdem wirkt sich der richtige Meditationssitz positiv auf den Körper aus und unterstützt so die meditative Versenkung.
Körper und Geist lassen sich nicht trennen
Eine der ersten Lektionen, die wir beim Meditieren lernt, ist, dass sich Körper und Geist nicht klar voneinander trennen lassen. Klar, grob geht das schon – den Körper sieht man, die Gedanken nicht. Aber die Wechselwirkungen zwischen den beiden sind so stark, dass man nicht von zwei separaten Entitäten sprechen kann. Körper und Geist sind, zumindest auf tieferer Ebene, ein und dasselbe.
Was bedeutet das also, wenn wir uns für die Meditation lässig auf die Couch setzen und die Füße hochlegen? Sicher kannst du es dir denken oder weißt es schon: der Geist wird genau denselben Zustand annehmen. In diesem Zustand erfolgreich konzentriert und aufmerksam zu bleiben ist eine Herausforderung, der man sich – gerade als Meditationsanfänger – nicht unbedingt stellen muss.
Den Körper stattdessen in eine Position zu bringen, die den gewünschten geistigen Zustand begünstigt, erleichtert das Ganze. Und was sind die Eigenschaften, die uns während der Meditation unterstützen? Es sind Eigenschaften wie Klarheit, Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Konzentration und Entspannung.
Das richtige Maß an Entspannung
Ja, auch Entspannung ist für die Meditation wichtig. Sehr wichtig sogar. Jedoch dürfen wir nicht den Fehler machen und die Entspannung, gerade am Anfang, in den Vordergrund stellen. Es wird sonst einfach dazu führen, dass wir abdriften und einschlafen. Das bringt nichts.
Das Maß an Entspannung sollte also nicht dem Maß an Klarheit und Wachsamkeit überwiegen. Am besten ist es, wenn diese zwei Aspekte perfekt ausgewogen sind. Genau dabei helfen die herkömmlichen Meditationshaltungen. Sie entspannen die Aspekte unseres Körper-Geist-Systems, die entspannen sollen, und halten die Teile wach, die wach bleiben sollen.
Die Wirbelsäule und der Atem
Zwei weitere wichtige Gründe, warum man aufrecht sitzend meditieren sollte, sind der Atem und die Wirbelsäule. Beide kommen durch den richtigen Sitz in ihre natürlichen Zustände und begünstigen so positive Erfahrungen in der Meditation.
Die Wirbelsäule
Wenn unsere Wirbelsäule gerade ist und sich in ihrer natürlichen Aufrichtung befindet, dann signalisiert das dem ganzen Körper und Geist, dass wir wach sind – aktiv. Durch diese Aufrichtung der Wirbelsäule werden wir so von dem gesamten Körper-Geist-System dabei unterstützt, klar, wachsam und gegenwärtig zu sein. Einzuschlafen oder in Trägheit zu verfallen ist so ziemlich schwierig.
Gleichzeitig sind beim Sitzen unsere restlichen Körperteile komplett entspannt. Einzig die Wirbelsäule hat eine gewisse – natürliche – Spannung. So entsteht die perfekte Harmonie aus Aktivität und Passivität, die das Meditieren extrem erleichtert.
Der Atem
Ein buddhistischer Mönch sagte einmal, dass der Atem beim Meditieren so leise sein sollte, dass man ihn selbst nicht mehr hören kann. Dafür muss der Atemfluss extrem ruhig und sanft sein, kaum spürbar. Doch wie kann man das erreichen? Richtig, durch das aufrechte Sitzen.
Wenn wir im Sitzen meditieren bzw. einfach gerade sitzen, dann wird unser Atem tiefer. Tiefer heißt hier nicht, wie es oft verstanden wird, dass der Atem besonders stark, lang, laut oder von außen sichtbar ist. Ganz im Gegenteil. Tiefer heißt, dass der Atem weniger oberflächlich ist. Er ist dann tatsächlich tiefer und zentrierter im Körper spürbar. Dies kann man nicht durch irgendwelche Atemtechniken erzwingen, sondern ist eine natürliche Folge von einer gesunden und aufrechten Sitzposition.
Einfache Möglichkeiten, den Körper aufrecht hinzusetzen
Die richtige Sitzposition hilft uns dabei, sowohl zu entspannen als auch wach und aufmerksam zu bleiben. Unbequem darf sie also nicht sein, geschweige denn Schmerzen verursachen. Zu bequem darf sie aber auch nicht sein, da sonst auch der Geist diesen Komfort annimmt und keine Energie mehr hat um konzentriert zu meditieren.
Ideal ist es, wenn die Wirbelsäule aufgerichtet ist, während der restliche Körper entspannen kann.
Meditation auf dem Stuhl
Mit der Hilfe eines Stuhls oder Hockers kann diese entspannte Aufrichtung leicht erreicht werden. Setze dich dafür an die vordere Kante des Stuhls und kippe dein Becken etwas nach vorne, fast so, als würdest du ins Hohlkreuz gehen. Durch das Kippen des Beckens wird die Wirbelsäule automatisch gerade und kommt in ihre natürliche Aufrichtung, die ohne große Anstrengung gehalten werden kann.
Der Fersensitz
Der Fersen- oder Kniesitz ist eine weitere relativ einfache Möglichkeit, bequem aufrecht zu sitzen. Anders als das Sitzen auf dem Stuhl zählt der Fersensitz sogar zu den klassischen Sitzhaltungen für die Meditation (Vajrasana) und findet unter anderem im Yoga und im Zen-Buddhismus Verwendung.
Im Fersensitz lässt es sich am besten auf weichem Boden sitzen, z.B. auf einem Teppich oder einer gefalteten Decke. Zu weich sollte es aber auch nicht sein, da Knie und Gesäß sonst zu tief einsinken. Eine Couch oder Matratze eignen sich also in der Regel nicht.
Sobald du eine passende Unterlage gefunden hast, suchst du dir gleich noch ein möglichst großes und hartes Kissen. Am besten ist natürlich ein Meditationskissen* oder sogar eine Meditationsbank*, aber ein Sofakissen oder eine zusammengerollte dicke Decke reichen für den Anfang auch.
Auf dieses Kissen setzt du dich dann so, dass deine Schienbeine rechts und links neben dem Kissen auf dem Boden aufliegen. Der Fußspann liegt ebenfalls flach auf dem Boden. Wenn du so eine angenehme Position gefunden hast, gibst du dein Becken wieder leicht nach vorne, damit sich die Wirbelsäule aufrichten kann, und fertig ist der Fersensitz.
Alternativen zur Sitzmeditation
Eine wirkliche Alternative zur Sitzmeditation zu finden ist schwer. Es gibt natürlich andere Meditationstechniken, wie zum Beispiel die Gehmeditation, aber ich bezweifle, dass sie die Sitzmeditation wirklich ersetzen können. Eigentlich sind all dies Übungen, die man in Ergänzung zu der Sitzmeditation praktiziert. Die Sitzmeditation ist in aller Regel die Basis.
Wenn das aufrechte Sitzen für dich jedoch wirklich nicht möglich ist, aus welchen Gründen auch immer, dann kannst du mit etwas Kreativität sicher eine Meditationspraxis zusammenstellen, die deinen Anforderungen entspricht. Mit Gehmeditationen und Meditationen im Liegen oder bequemen Sitzen, gepaart mit der Achtsamkeitspraxis im Alltag, kann man sich schon eine gute Praxis zusammenbasteln.
Bleib am Ball
Für mich war das Sitzen am Anfang meiner „Meditationskarriere“ auch eine Qual. Die erste Zeit habe ich nie wirklich meditiert, sondern einfach nur probiert, still zu sitzen. Alles war unruhig – es hat gejuckt, gedrückt und geschmerzt. Von Konzentration oder Meditation konnte man gar nicht reden.
Aber weißt du was? Das ist normal. Fast jeder geht durch diese Phase. Es gehört dazu, wenn man Meditieren lernen möchte. Und das ist gut so, denn es ist eine wertvolle Lernerfahrung. Allein so still und aufrecht zu sitzen ist eine Fähigkeit, die die wenigsten Menschen beherrschen. Es ist eine Art Superkraft, für die es sich lohnt, durch die anfänglichen Strapazen zu gehen.
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