Warum du direkt nach dem Aufstehen meditieren solltest

Viele Meditierende schwören darauf: Der Tag muss mit einer Meditation beginnen. Ich bin einer davon. Direkt nach dem Aufstehen zu meditieren hat irgendwie etwas ganz Besonderes. Es ist wie ein mentaler Boost, der den ganzen Tag über anhält und jede andere Erfahrung bereichert.

In diesem Artikel möchte ich auf all die (sehr guten) Gründe eingehen, warum auch du direkt nach dem Aufstehen meditieren solltest. Zum Schluss gebe ich dir noch ein paar praktische Tipps, sodass es auch wirklich klappt.

1. Der Geist ist weder zu wach noch zu träge

Direkt nach dem Aufstehen sind wir in einer sehr besonderen Verfassung. Wir schlafen nicht mehr, sind aber auch noch nicht in unserem normalen Alltagsbewusstsein angekommen. Der Geist ist noch leer und muss nichts verarbeiten, und doch ist er wach. Es ist ein Bardo-ähnlicher Zustand, in dem wir uns zu diesem Zeitpunkt befinden – irgendwo zwischen Wachen und Schlafen.

In diesem Zustand – auch wenn wir uns noch schläfrig fühlen – lässt es sich super meditieren. Da sich keine Erfahrungen des Tages angesammelt haben, gibt es am Morgen viel weniger Ablenkung durch Gedanken, Erinnerungen und Empfindungen. Auch sind wir oft noch „zu müde“, um uns Gedanken um das kommende Tagesgeschehen zu machen. Wir sind einfach nur bewusst, ohne etwas Bestimmtes zu sein oder zu denken.

2. Nach dem Aufwachen sind wir erleuchtet

Es wird gesagt, dass der Moment direkt nach dem Aufwachen der Erleuchtung ähnlich ist. Für einen kurzen Augenblick ist da nichts, außer das Wachsein selbst – keine Gedanken, persönliche Wünsche oder Ziele. In diesem Moment sind wir ganz kurz erleuchtet, ein Buddha (wörtlich „der Erwachte“).

Vielleicht hast du diese gedankliche Leere am Morgen im Bett auch schon mal erfahren. Für gewöhnlich vergeht sie, sobald wir sie bemerken und sich unser Verstand einschaltet. „Da ist Stille!“ – und zack, sie ist weg. Doch durch regelmäßiges Meditieren direkt nach dem Aufwachen können wir diesen kurzen Erleuchtungs-Moment verlängern und mit den in Tag nehmen.

3. Du baust den Tag auf einem festen Fundament

Am Morgen stehen uns alle Möglichkeiten offen. Der Tag ist noch ein unbeschriebenes Blatt Papier und wir können den ersten Pinselstrich ganz bewusst setzen. In welche Richtung soll unser Tag gehen? Auf welchem Fundament soll der Rest des Tages gebaut werden? Wenn wir direkt als erstes am Morgen meditieren, haben wir die Wahl.

Motivationstrainer sprechen oft davon, wie wichtig es ist, am Morgen unser Bett zu machen. Indem wir den Tag mit einer kleinen Tätigkeit starten, die uns das Gefühl gibt etwas gemacht zu haben, sollen alle anderen Aufgaben die am Tag anstehen leichter fallen – es entsteht Momentum, ein gewisser Schwung.

Das können wir auch auf das Meditieren am Morgen übertragen. Meditieren wir direkt nach dem Aufstehen und starten den Tag bewusst, dann färbt diese Qualität auf den Rest unseres Tages ab. Eine Meditation am Morgen kann so dafür sorgen, dass wir auch in stressigen Situationen im Alltag oder bei mechanischen Aufgaben wieder zu uns kommen und aus unserem Autopilot-Modus aufwachen.

4. Der Rest der Welt schläft noch

Je nachdem wann du für gewöhnlich aufstehst, ist die Welt noch sehr ruhig. Viele Menschen schlafen noch, frühstücken erst oder machen sich gerade auf den Weg zur Arbeit. Der Tag geht für die meisten Menschen erst los, was eine gewisse ruhige und doch aktivierende Atmosphäre erschafft.

Im Winter gibt es außerdem den Vorteil, dass die Sonne noch nicht aufgegangen ist. Die Dunkelheit verleitet noch mehr dazu, nach Innen zu schauen und die Welt mal für ein paar Momente zu vergessen – perfekt zum Meditieren.

5. Es ist eine einfache Gewohnheit

Gewohnheiten zu etablieren ist am einfachsten, wenn wir sie mit bereits bestehende Strukturen verbinden. Einfach zu sagen „Ich bewege mich ab heute jeden Tag“ könnte eine Herausforderung sein, da wir uns dadurch zu viele Freiheiten lassen. Wann bewegen wir uns? Wie bewegen wir uns? Die genauen Details fehlen.

Sagen wir jedoch „Nach dem Abendessen mache ich immer einen Spaziergang“, dann haben wir direkt eine Abfolge, die wir einfach nur befolgen müssen: Essen – Spazieren. Nach ein paar Tagen verfestigt sich diese Abfolge und nach und nach entsteht eine feste Gewohnheit daraus.

Mit dem Meditieren ist es genauso. Verknüpfen wir unsere Meditationspraxis mit Dingen, die wir sowieso täglich tun, wie zum Beispiel das Aufstehen am Morgen, dann ist es einfacher, eine feste Routine zu entwickeln. Und wenn eines wichtig für das Meditieren ist, dann ist es Regelmäßigkeit.

Erst wenn wir Meditation zu einer wirklich festen Gewohnheit in unserem Leben gemacht haben, können die Erfahrungen aus der Meditation vollständig auf unser alltägliches Leben abfärben. Und genau dafür ist das Meditieren direkt nach dem Aufstehen wie gemacht. Es ist relativ einfach zu etablieren und bringt viele Vorteile mit sich.

6. Die Erfahrungen der Nacht können nachwirken

Direkt am Morgen zu meditieren hat außerdem den Vorteil, dass die „Erfahrungen“ der Nacht nachwirken und mit in den Tag genommen werden können. Damit meine ich nicht nur Träume, sondern vielmehr den traumlosen Tiefschlaf. Tiefschlaf ist für unseren Geist eine erfahrungslose Erfahrung. In ihm ist nichts, keine Objekte zum Wahrnehmen wie Gedanken, Bilder, Empfindungen oder sonstige Eindrücke. Im Tiefschlaf ist der Geist komplett still.

In verschiedenen spirituellen Traditionen wird der Tiefschlaf als der höchste Zustand angesehen – der Zustand der absoluten Freiheit; Nirvana oder Samadhi. In diesem bewusst zu bleiben ist das Ziel von vielen Yogis und Meditierenden.

Was sich für uns vielleicht erstmal sonderbar anhört, hat doch eine große Auswirkung auf unseren Tag. Im Tiefschlaf kommt unser Geist komplett zur Ruhe und kann sich vollständig erholen. Zu dieser Ruhe und Ausgeglichenheit haben wir nach dem Aufwachen noch Zugang und können sie so auch für unseren Alltag kultivieren.

Auch wenn wir die Erfahrung des Tiefschlafs nicht wirklich greifen oder benennen können, hat sie doch einen Einfluss auf uns und wirkt nach dem Aufstehen nach. Wenn wir uns in dieser Zeit zum Meditieren hinsetzen, wird es uns automatisch leichter fallen, geistige Ruhe zu finden und tief in unser Bewusstsein einzutauchen.

Tipps um nach dem Aufstehen zu meditieren

Am Morgen zu meditieren ist ziemlich einfach. Eigentlich müssen wir uns nur hinsetzen und der Rest passiert nahezu von selbst. Für die praktische Umsetzung habe ich dir trotzdem noch meine besten Tipps zusammengefasst:

  • Denke nicht darüber nach. Sobald wir darüber nachdenken, ob wir etwas Gutes für uns tun sollten oder nicht, kommt unser (fauler) Geist oft zu dem Schluss, es „heute mal nicht“ zu tun. Nicht darüber nachzudenken, sondern uns einfach hinzusetzen und zu meditieren, ist daher meist die einfachste Herangehensweise.
  • Beginne schon im Liegen. Schon im Liegen mit dem Meditieren zu beginnen, direkt nach dem Aufwachen, entfacht unser Bewusstsein direkt mit einem Funken Klarheit. Nach dem Schlaf funktioniert das vor allem gut mit dem Körper, indem wir einfach kurz in ihn hineinspüren und schauen, wie es ihm geht. Auch der Atem ist super dafür geeignet, um unseren Körper und Geist sanft vom Schlaf aufzuwecken.
  • Schreibe deine Träume auf. Wenn du ein aktiver Träumer bist, kann es sehr hilfreich sein, sie direkt nach dem Aufwachen schriftlich festzuhalten. Das hilft nicht nur für die Meditation, da du sie so aus deinem Kopf bekommst. Auch entwickelt es dein Traumgedächtnis, was zum Beispiel für Traumdeutung und luzides Träumen sehr wertvoll sein kann.
  • Öffne das Fenster. Schläfst du mit geschlossenen Fenstern, ist am Morgen der Sauerstoff im Raum oft aufgebraucht. Kurz zu lüften und frische Luft in den Raum zu lassen wird deine Meditation verbessern und dir dabei helfen, richtig wach zu werden. Auch kannst du dich mit Decken eingekuschelt vor das offene Fenster setzen und so zum Vogelgezwitscher meditieren.
  • Mache dich frisch, wenn du musst. Wenn du das Bedürfnis hast, vor dem Meditieren nach mal auf Toilette zu gehen oder die Zähne zu putzen, dann tue das ruhig. Ein kleiner Abstecher ins Badezimmer ist oft sinnvoll. Bleibe dabei jedoch von deinem Handy weg und vermeide künstliche Lichtquellen und zu viel Aktivität. Etwas schläfrig zu bleiben kann durchaus seinen Vorteil haben.
  • Meditiere aufgerichtet. Das Meditieren am Morgen verleitet dazu, es einfach vom Bett aus im Liegen zu tun. Während das nicht grundsätzlich verkehrt ist, vor allem direkt nach dem Aufwachen, sollten wir letztlich trotzdem zum Sitzen kommen. Das aufrechte Sitzen hilft dabei, den Geist wach zu halten und nicht zurück in den Schlaf zu fallen. Wenn dir danach ist, kannst du dich vor oder nach der Meditation auch strecken und sanfte Dehnübungen machen.

Jeder Moment ist der Erste

Noch nie gab es den exakt selben Moment zweimal. Jeder Moment ist neu. Das bedeutet auch, dass unsere Meditation immer neu ist und nie denselben Verlauf nimmt. Auch bedeutet es, dass jeder der Moment der richtige ist, um zu meditieren. Ob Morgens, Abends oder dazwischen; Meditation hilft und wirkt.

Morgens zu meditieren ist daher keine Notwendigkeit. Generell gibt es diese beim Meditieren nicht – oder sollte es nicht geben. Da die Balance zwischen Disziplin und spielerischer Freiheit zu finden ist daher nicht immer so einfach. Doch das Meditieren am Morgen kann dabei helfen.

Wenn wir es zu einer Gewohnheit machen, direkt nach dem Aufstehen zu meditieren, haben wir das Beste aus beiden Welten: eine Struktur, die unsere Meditationspraxis unterstützt, und den Spielraum, sie entsprechend frei zu gestalten.

Die ersten paar Male kann es eine kleine Überwindung sein, aber schon bald wirst du nicht mehr ohne in den Tag starten wollen.

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